Santiago Sierra
Santiago Sierra, geboren 1966 in Madrid, Spanien, lebt und arbeitet in Madrid und Mexiko-Stadt. Er gilt als einer der provokantesten Künstler seiner Generation. Mit seinen gesellschafts- und kunstkritischen Aktionen konfrontiert er ein Publikum, das sich an ästhetische Oberflächen gewöhnt hat, mit verstörender Direktheit. So errichtete er im Jahr eine Mauer im P.S.1 Contemporary Art Center in New York (heute MoMA PS1), die dem Grenzzaun zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten nachempfunden war. Dahinter lebte ein Freiwilliger mehrere Wochen lang – versorgt lediglich mit Nahrung und Wasser, die ihm durch eine schmale Öffnung gereicht wurden, ähnlich wie in einer Gefängnissituation. Formal steht Sierra in der Tradition von Minimal Art, Land Art und Performance Art der 1960er- und 70er-Jahre. Er versteht sich als Bewunderer minimalistischer Vorbilder wie Donald Judd, Sol LeWitt oder Robert Morris. Im Gegensatz zu diesen Heroen aber lädt Sierra seine Werke mit unmittelbarer emotionaler Wucht auf und konfrontiert das Publikum mit politischer und individueller Realität in ihrer unvermittelten, oft schmerzhaften Direktheit.
Santiago Sierra Editionen

Self-Portrait
2006/2024

Europe
2009

Economical Study On The Skin Of Caracans
2009

20 Sheets with Blattodea Pheromone
2008

Wall With Blattodea Pheromone
2007

Bandera Negra De La Republica Española
2007

Aviso Público / Public Notice
2006

Door Plate
2006

111 Constructions with 10 Modules and 10 Workers
2004
Self-Portrait
2006/2024
Aus: FACES
Digital Pigment Print auf Hahnemühle 300g Büttenpapier, handgerissen, 60 x 50 cm. Edition: 45 + 8 AP, signiert und nummeriert auf dem Label verso.
Diese Edition, ein Selbstportät Santiago Sierras, zeigt ein reduziertes, still subversives Bild: den Künstler von hinten fotografiert, mit rasiertem Kopf und dunklem Pullover vor einer weißen Wand. Ganz im Sinne eines wiederkehrenden Motivs in Sierras Werk ist die Verweigerung der Gesichtssichtbarkeit ein bewusster Akt. „Die Idee, dass Nicht-Zeigen kraftvoller ist als das Zeigen“, durchzieht viele seiner Arbeiten, in denen Menschen häufig verborgen, anonymisiert oder unkenntlich gemacht werden. In diesem Bild wird das Fehlen identifizierbarer Merkmale zu einer Art Anti-Porträt – eine bewusste Abkehr von traditionellen Formen der Selbstinszenierung. Es verweist auf Sierras übergeordnetes Anliegen, Sichtbarkeit, Kontrolle und die entmenschlichenden Systeme in Kunst und Gesellschaft kritisch zu hinterfragen.
EUR 1.000

Europe
2009
Schallplatte mit den Nationalhymnen der 27 Staaten der Europäischen Gemeinschaft, die gleichzeitig und kontinuierlich abgespielt werden (Seite A), und der Nationalhymne der Europäischen Gemeinschaft, die rückwärts und kontinuierlich abgespielt wird (Seite B). 31 x 31 cm. Auflage limitiert auf 100 Stück, signiert und nummeriert.
Santiago Sierras LP-Edition verwandelt nationale Symbolik in eine dissonante Klangintervention. Auf Seite A werden die Nationalhymnen aller 27 EU-Mitgliedstaaten gleichzeitig und ununterbrochen abgespielt – ein chaotisches Klanggeflecht entsteht, in dem jede einzelne Identität in einem unauflösbaren Gesamtton untergeht. Auf Seite B wird die offizielle Hymne der Europäischen Union (basierend auf Beethovens „Ode an die Freude“) rückwärts abgespielt, wodurch ihre vertrauten Harmonien in eine verstörende, fremde Klangfolge verwandelt werden. Das Werk legt die Widersprüche kollektiver Identität und die Grenzen von Einheit in Vielfalt offen und nutzt die aufgeladene Sprache nationaler Musik, um Machtstrukturen, kulturelle Repräsentation und politische Illusion infrage zu stellen.
€ 300 € 200 / $300 Versandkosten inklusive
Economical Study On The Skin Of Caracans
2009
Aus: Forty Are Better Than One
8-teiliges Leporello, Digital Pigment Print (Ditone) auf 188 g Hahnemühle Photo Rag Bright White Papier, 200 x 32 cm (78¾ x 12½ in). Edition: 75, signiert und nummeriert.
Santiago Sierras Edition Economical Study on the Skin of Caracans konfrontiert systemischen Rassismus und wirtschaftliche Ungleichheit in einer streng konzipierten, konzeptuellen Arbeit, die eine drastische Korrelation sichtbar macht: Je dunkler die Hautfarbe einer Person, desto geringer ihr durchschnittliches Jahreseinkommen. Sierra fotografierte die Rückenansichten von 35 Personen – nicht als Symbol für Arbeit, sondern als neutrale und zugleich intime Oberfläche, um rassische Unterschiede zu erfassen. Anschließend berechnete er den durchschnittlichen Grauwert der jeweiligen Hauttöne und stellte ihn in Beziehung zu entsprechenden Einkommensniveaus in US-Dollar. Das Ergebnis ist ein eindringliches visuelles Diagramm sozialer Segregation – dargestellt durch anonymisierte Haut und monochrome Flächen. Anstatt Ungleichheit zu ästhetisieren, legt Sierra die Mechanismen der Diskriminierung offen und liefert eine schonungslose, aber notwendige Reflexion über Sichtbarkeit, Wert und Macht.
EUR 800
20 Sheets with Blattodea Pheromone
2008
Portfolio mit 20 Blättern Büttenpapier, 77 x 56 cm (30¼ x 22 in), jeweils mit einem Teststreifen mit Kakerlakenpheromonen, eingeschweißt in Aluminiumfolie mit Warnhinweisen. Edition limitiert auf 20, signiert und nummeriert auf dem Textblatt.
Mit dieser Edition schafft Santiago Sierra eine provokante Schnittstelle aus Konzeptkunst, institutioneller Kritik und biologischem Material. Das Werk besteht aus zwanzig Bögen Büttenpapier, in die jeweils ein Teststreifen mit echtem Kakerlaken-Pheromon eingebettet ist – einem unsichtbaren, aber wirkungsvollen chemischen Lockstoff. Luftdicht in sterile Aluminiumfolie verpackt und mit einem unmissverständlichen Warnhinweis versehen, konfrontiert die Edition die Betrachter:innen mit der verstörenden Möglichkeit biologischer Invasion. Wie typisch für Sierra entzieht sich die Arbeit jeglichem symbolischen Trost und inszeniert stattdessen ein Experiment über Macht, Kontrolle und Kontamination. Wird sie in einem Raum geöffnet, in dem sich Kakerlaken befinden, lockt sie diese an – und macht sichtbar, was sonst verborgen und unerwünscht bleibt. Die latente Bedrohung des Werks ist somit vollständig vom Kontext abhängig: harmlos in steriler Umgebung, aber potenziell störend in anfälligen. 20 Sheets with Blattodea Pheromone fungiert sowohl als konzeptuelle Falle wie auch als sozialkritischer Kommentar – und verbindet Themen wie Befall, Marginalisierung und die unsichtbaren Systeme, die menschliche wie institutionelle Umgebungen strukturieren.

Wall With Blattodea Pheromone
2007
Aus: Wall Works
Teststreifen mit Kakerlakenpheromonen, die in gleichem Abstand an einer Wand anzubringen sind. Streifen 10 x 6,5 cm (4 x 2½ in), Gesamtabmessungen abhängig von der Wand. Edition limitiert auf 12 Installationen, mit einem unterzeichneten und nummerierten Zertifikat mit spezifischen Anweisungen für die Installation vor Ort.
Diese Edition von Santiago Sierra verwandelt eine architektonische Fläche in eine aufgeladene Zone des Unbehagens und potenziellen Befalls. Die Arbeit besteht aus standardisierten Teststreifen mit Kakerlaken-Pheromonen, die in gleichmäßigen Abständen auf einer Wand installiert sind. Für das Auge unsichtbar, aber biologisch aktiv, verströmen die Streifen einen starken chemischen Lockstoff, der – unter geeigneten Bedingungen – einen tatsächlichen Kakerlakenbefall auslösen kann. Mit ihrer minimalistischen Ästhetik und präzisen Anordnung wirkt die Installation zunächst harmlos, fast dekorativ. Doch hinter dieser sauberen Geometrie verbirgt sich eine latente Bedrohung: Sind Kakerlaken im Raum vorhanden, werden sie von der Wand angezogen, wodurch die Realität von Verunreinigung sichtbar und die vermeintliche Neutralität des Ausstellungsraums infrage gestellt wird. In typischer Manier fungiert Sierras Arbeit sowohl als konzeptuelle Provokation als auch als soziale Kritik – sie nutzt unsichtbares biologisches Material, um Vorstellungen von Hygiene, Kontrolle und den Grenzen institutioneller Räume zu hinterfragen. Wall With Blattodea Pheromone ist nicht bloß zum Anschauen gedacht, sondern zum Miterleben – seine Bedeutung hängt ab von Anwesenheit, Verwundbarkeit und den unsichtbaren Systemen, die sowohl Kunst als auch Leben strukturieren.

Bandera Negra De La Republica Española
2007
Flagge aus drei Variationen von schwarzem Stoff, Faden, Stickerei, 148 x 208 cm (58¼ x 82 in). Edition: 25, signiert und nummeriert auf dem Zertifikat.
Santiago Sierras Edition Bandera Negra de la República Española ist eine eindrucksvolle Neuinterpretation eines nationalen Symbols. Diese „schwarze Flagge“ verwandelt das Trikolore-Banner der Zweiten Spanischen Republik in ein monochromes Emblem der Trauer, des Widerstands und der historischen Kritik. Von Kunsthandwerkern von Hand bestickt, fungiert die Arbeit als das, was Sierra ein „Anti-Symbol“ nennt – eine eindringliche Meditation über die unerfüllten Versprechen und fortdauernden Traumata der Spanischen Republik. Die Edition entstand im Zusammenhang mit einer zweiteiligen Initiative des Künstlers: einer Plakataktion in den Straßen Madrids, die öffentliche Debatten anregen sollte, sowie einer formellen Präsentation der Flagge im Museo Reina Sofía. Dieses doppelte Format – zugleich öffentlich und akademisch – unterstreicht Sierras Absicht, eine generationenübergreifende Auseinandersetzung mit Erinnerung, Demokratie und Dissens im zeitgenössischen Spanien anzustoßen. Sierras Werk bietet keinen Abschluss – es fordert zur Reflexion heraus.
EUR 12.000
Aviso Público / Public Notice
2006
Aus: Door Cycle
Metallschild (Relief aus Aluminiumguss) auf verzinkter Eisentür mit Beschlägen. Türgröße 198,5 x 98 x 12 cm (78 x 38½ x 4¾ in). Edition: 15, signiert und nummeriert auf separatem Label.
Im Rahmen der Edition Door Cycle präsentiert Santiago Sierra hier eine verzinkte Eisentür, auf der seine eindringliche Arbeit Door Plate angebracht ist. Der Text auf dem Aluminiumschild listet eine überwältigende und widersprüchliche Reihe von Ausschlüssen auf – der Zutritt wird Personen verweigert, die von „schwangeren Frauen“ bis zu „Angestellten“, von „Nicht-Englischsprechenden“ bis zu „Menschen mit Computerkenntnissen“ reichen. Sierra treibt mit dieser Aufzählung die Absurdität bürokratischer Zugangskontrollen auf die Spitze. Diese Edition knüpft an die Themen von Sierras kontroversem Beitrag zur Biennale von Venedig 2003 an, bei dem der Zugang zum spanischen Pavillon ausschließlich Inhaber:innen eines spanischen Passes und nur über einen Nebeneingang gestattet wurde. Hier jedoch steht die Tür als skulpturales Objekt für sich – ein Sinnbild sowohl für physische als auch psychologische Schwellen, wie sie von autoritären Systemen errichtet werden. Mit beißender Ironie und minimalistischer Klarheit konfrontiert Aviso Público / Public Notice die Betrachter:innen mit den Mechanismen, durch die Zugang geregelt wird – nicht nur in Museen oder Nationalpavillons, sondern in der Gesellschaft insgesamt.
EUR 12.000

Door Plate
2006
Reliefschild aus Aluminiumguss, mit Farbe, 59 x 69 x 2 cm (23 x 27 x ¾ in). Edition: XV, signiert und nummeriert auf separatem Label.
Mit dieser Edition präsentiert Santiago Sierra eine eindringliche und provokative Auseinandersetzung mit der Politik der Ausgrenzung. In Anlehnung an seine kontroverse Intervention auf der Biennale von Venedig 2003 – bei der der spanische Pavillon zugemauert wurde und nur Personen mit spanischem Pass über einen Hintereingang Zutritt erhielten – erweitert diese Arbeit das Thema des eingeschränkten Zugangs um eine scharfsinnige, ironische Dimension. Die Tafel listet einen scheinbar endlosen und widersprüchlichen Katalog von Personen auf, denen der Eintritt verwehrt wird: von „Arbeitslosen“ bis zu „Angestellten“, von „schwangeren Frauen“ bis zu „Hausfrauen“, von „Nicht-Englischsprechenden“ bis zu „Personen mit Computerkenntnissen“. Sierra karikiert damit die willkürlichen und häufig diskriminierenden Mechanismen, mit denen Institutionen und Machtstrukturen Zugehörigkeit regulieren. Durch die Nachahmung des Tons und der Förmlichkeit behördlicher Beschilderung entlarvt Door Plate die Absurdität und Grausamkeit, die Systemen der Kontrolle zugrunde liegen können. Die Arbeit konfrontiert das Publikum mit den sozialen, politischen und ökonomischen Ausschlussmechanismen und zwingt durch ihre Übertreibung zur kritischen Auseinandersetzung mit der Frage, wer über Zugehörigkeit entscheidet – und wer ausgeschlossen wird.
EUR 12.000

111 Constructions with 10 Modules and 10 Workers
2004
Herausgegeben für Kunsthaus Bregenz
Mappe mit 111 Schwarz-Weiß-Fotografien und einem Textblatt (Kolophon). Jedes Foto 21 x 29,7 cm (8¼ x 11¾ in). Edition: 40 + X, auf dem Textblatt signiert und nummeriert.
Diese fotografische Edition greift Santiago Sierras wegweisende Performance 111 Constructions with 10 Modules and 10 Workers erneut auf und verdichtet deren konzeptuelle Strenge zu einer visuellen Abfolge. In einem Raster aus Schwarz-Weiß-Bildern präsentiert, dokumentiert das Werk Variationen, in denen zehn Arbeiter immer wieder zehn identische weiße Module zusammensetzen und neu anordnen. Die serielle Struktur der Komposition spiegelt die mechanische, beinahe rituelle Arbeitsweise wider, wie sie bereits in der ursprünglichen Performance zum Ausdruck kam. Mit seiner charakteristischen Strenge verwandelt Sierra minimale Gesten in politische Aussagen. Die Module – neutral, leer und austauschbar – stehen für standardisierte Produktionseinheiten, während die Arbeiter, ebenfalls anonym und austauschbar, eine Choreografie körperlicher Arbeit vollziehen, die jeder Individualität entbehrt. Das Werk verweist auf die Entfremdung und Wiederholung, die vielen Formen lohnabhängiger Arbeit innewohnen, und greift zentrale Themen von Sierras Praxis auf: Kontrolle, Sichtbarkeit und Wert. 111 Constructions ist nicht nur ein formales Spiel mit Permutationen, sondern eine kritische Reflexion über die Bedingungen, unter denen Arbeit zur Ware wird, fragmentiert und unsichtbar gemacht wird – sichtbar ausgeführt, aber strukturell übersehen.
EUR 2.700